Digitale Trends 2022: Zusammenspiel aus Metaversum, Technikmüdigkeit und wichtigen Online-Verbindungen

von Birgit Fingerle

Die Corona-Pandemie und der Klimawandel scheinen in einigen Bereichen digitalen Innovationen einen neuen Schwung zu geben und gleichzeitig zu Gegenreaktionen und Auswirkungen auf das Wohlbefinden von Einzelpersonen und Gemeinschaften zu führen. In diesem Blogbeitrag wird eine Auswahl digitaler Trends beleuchtet, die für Organisationen wie Bibliotheken oder digitale Infrastruktureinrichtungen von Interesse sein könnten, insbesondere im Kontext von Open Science.

Metaversum: Web 3.0 führt zu “neuen Portalen der Möglichkeiten” und You-Topia

Es wird davon ausgegangen, dass die nächste Entwicklungsstufe des Internets von virtuellen Welten, Metaversen (englisch: metaverse) und augmentierten phygitalen Realitäten geprägt sein wird. Das Metaversum ist derzeit ein beherrschendes Thema in verschiedenen Trendreports, darunter im “2022 Trend Report von Trendhunter – Die wilden 20er Jahre kommen zurück”. Das Metaversum ist eine Weiterentwicklung des Internets, in dem physische und digitale (=phygitale) Welten zusammenwachsen. Im Metaversum bewegen sich Menschen als Avatare und können interagieren, um zum Beispiel Unterhaltungen zu führen oder an Projekten zu arbeiten. Digitale Güter, wie Grundstücke, Gebäude, Produkte und Avatare, können erstellt, gekauft und verkauft werden.

Viele Unternehmen möchten eine zentrale Rolle im Metaversum spielen. Bislang scheinen jedoch nur wenige von ihnen dort tatsächlich Einfluss zu besitzen. Zu ihnen gehören Meta (Facebook), Spotify, Zoom, Amazon (Twitch), Alibaba, Roblox, Snapchat, Apple, Huawei, WeChat und Microsoft. So wird Microsoft voraussichtlich 2022 Mesh für Microsoft Teams auf den Markt bringen, das als Tor zum Metaversum gedacht ist. Mesh wird eine “Mixed Reality“ mit gemeinsamen holografischen Erfahrungen bieten, in der Nutzer:innen als individuelle Avatare an Meetings teilnehmen und zusammenarbeiten können und in der Unternehmen immersive virtuelle Umgebungen aufbauen können. Dieses Beispiel zeigt, dass das Metaversum das Potenzial hat, die Art und Weise, wie wir arbeiten, zu verändern und neue Formen der Kreativität zu ermöglichen.

“Portale der Möglichkeiten – Menschen in neue Dimensionen befördern” ist ein Trend, der von Trendwatching.com im Zusammenhang mit dem Metaversum definiert wurde. Bibliotheken könnten hier eine Vorreiterrolle übernehmen und den Horizont ihrer Kund:innen erweitern, indem sie das Metaversum nutzen, um sie mit neuen Ideen und Konzepten vertraut zu machen. Careers Wales hat mit der Einführung von CareersCraft ein Beispiel für ein Umdenken in der traditionellen Berufsberatung an weiterführenden Schulen demonstriert. Diese virtuelle Welt, die auf Minecraft basiert, hilft Schüler:innen, ihre Stärken zu erkennen, während sie Herausforderungen und Aktivitäten auf ihrem Weg entlang verschiedener Sehenswürdigkeiten in Wales absolvieren.

Trendwatching.com geht davon aus, dass Verbraucher:innen zukünftig Unternehmen bevorzugen werden, die ihren Einfluss nutzen, um in diesem Web 3.0 eine egalitärere digitale Welt zu schaffen. In dieser wäre die Macht verteilt oder dezentralisiert und die Verbraucher:innen hätten die Macht, die Werkzeuge und die Fähigkeiten, das Metaversum aufzubauen. Trendwatching nennt den Trend daher “You-Topia – Helfen Sie, ein gerechteres Web 3.0 zu schaffen”. Vielleicht könnten Bibliotheken und Open-Science-Projekte Verbraucher:innen unterstützen und so eine wichtige Rolle im Metaversum spielen, wenn es wirklich durchstarten sollte.

NFT: Neue Wege für den Handel mit Kunst und anderen digitalen Produkten

Non-Fungible Tokens (NFTs) sind seit Ende 2020 in aller Munde, weil sie eine nie dagewesene Knappheit und Begehrlichkeit für digitale Elemente schaffen und mit dem Metaversum in Verbindung gebracht werden. NFTs sind Währungseinheiten im Blockchain-Ökosystem, die nicht repliziert werden können. Sie beweisen also den Besitz eines digitalen Produkts durch eine Person.

Künstler:innen und Kreative nutzen NFTs für den Handel mit Fotos, Videos, Musik und anderen digitalen Produkten. NFT Art unterstützt Künstler:innen und Musiker:innen, leichter von ihrer Arbeit zu profitieren, da der Verkauf ihrer Werke als NFTs ein neuer und innovativer Weg ist, mit dem sie im Internet dennoch eine gewisse Kontrolle über ihre Werke haben. Sogar NFT-Ausstellungen finden bereits statt, und NFT-Kunstgalerien werden immer beliebter. Diese Galerien existieren sowohl in der digitalen Welt als auch in realen Räumen und sind auf NFTs ausgerichtet. Bibliotheken und Open-Science-Projekte sollten die Auswirkungen dieses Trends auf ihre Arbeit im Auge behalten.

Umweltschutz: Integriert in alltägliche Technik – sogar in das Website-Design

Bereits im IFLA Trend Report 2021 Update wurden Umweltthemen angesprochen. Bibliotheken können die Tatsache nicht ignorieren, dass auch sie aufgrund der Bedrohung durch den Klimawandel handeln müssen. In verschiedenen Branchen engagieren sich immer mehr Unternehmen für regenerative Praktiken und für Nachhaltigkeit. So finden sich umweltfreundliche Trends in verschiedenen Trendberichten wieder. In seinem Trendbericht 2022 führt Trendhunter den solarbetriebenen Einzelhandel und biologisch abbaubare Technik als neue Trends auf. Dies bezieht sich auf technische Produkte und Zubehör, die aus umweltfreundlichen Materialien hergestellt werden, etwa biologisch abbaubare Desktops, kompostierbare Handyhüllen oder umweltfreundlichere Materialien.

Ein weiterer interessanter Trend ist das kohlenstoffneutrale Surfen im Internet. Unternehmen überdenken die Art und Weise, wie sie ihre Websites gestalten, um weniger umweltschädlich zu sein. Durch die Neugestaltung von Websites mit kleineren Bildern oder einfachen Schrifttypen werden diese energieeffizienter, denn der Energieaufwand für das Laden einer Website und damit auch ihre Kohlenstoffemissionen verringern sich. Dies sind nur einige Beispiele für regenerative Praktiken, die Bibliotheken berücksichtigen sollten, um ihrer Verantwortung gerecht zu werden.

Neue Praktiken anwenden, um Diversität ernsthaft zu leben

Wie das IFLA Trend Report 2021 Update feststellte, wird Diversität jetzt ernst genommen. Ein größeres Bewusstsein für die Existenz und die Auswirkungen von Diskriminierung in der Gesellschaft wird die in Bibliotheken praktizierte Vielfalt beeinflussen. Gelebte Vielfalt und die Beendigung diskriminierender Praktiken sind für heutige Verbraucher:innen äußerst wichtig und kommen in verschiedenen Trends zum Ausdruck. Zwei davon werden im “2022 Trend Report von Trendhunter – Die wilden 20er Jahre kommen zurück” genannt. Der Trend für einen einfühlsameren Umgang mit Personen aus der LGBTQ+-Community im Gesundheitswesen (“LGBTQ+-Therapy”) umfasst Wege hin zu einer Gesundheitsversorgung, die besser auf nicht-binäre, transsexuelle und queere Verbraucher:innen zugeschnitten ist. Damit verbunden ist der Trend “LGBTQ+ Entrepreneurship”. Hier unterstützen gemeinnützige Organisationen die unternehmerischen Bestrebungen der LGBTQ+-Community, durch die Überwindung von Herausforderungen eine vielfältige Geschäftswelt und Technologiebranche zu entwickeln. Diesen Trends folgend könnte oder sollte sich das Ernstnehmen von Diversität auf Sammlungen, Dienstleistungen und Praktiken von Bibliotheken und Open-Science-Projekten auswirken, um bislang ausgegrenzte Communities besser zu unterstützen.

Bedeutungsvolle Verbindungen schaffen: “Joyning”, gegenseitige Hilfe und P2P-Communities

“Joyning – Sinnvolle Verbindungen in einer einsamen Welt finden” ist ein Trend, der sich aus dem digitalen Lebensstil mit allgegenwärtigen digitalen Technologien und Plattformen, der anhaltenden Pandemie und der steigenden Zahl von Menschen, die sich einsam und isoliert fühlen, entwickelt. Um diesem Trend gerecht zu werden, sollten sich Organisationen die Frage stellen, wie sie Menschen dabei unterstützen können, echte, unterstützende und bedeutungsvolle Beziehungen zu knüpfen.

Der Trend P2P-Community (Peer-to-Peer-Community) könnte Teil der Antwort sein. Neue Plattformen und Gemeinschaften schaffen dabei digitale Räume, in denen Menschen miteinander in Kontakt treten und sich gegenseitig (Peer-to-Peer) unterstützen. Ein weiterer verwandter Trend ist “Link ‘n Learn – Engagement durch Peer-to-Peer-Bildung”. Ein Beispiel für diesen Trend ist eine Plattform für Online-Kurse, auf der ältere Erwachsene ermutigt werden, sich mit Gleichaltrigen zu verbinden und zu engagieren. Jede:r kann dort kleine Kurse unterrichten oder an ihnen teilnehmen und sich etwa beim Kochen oder Tanzen austauschen. Netzwerke für gegenseitige Hilfe sind ein weiterer Trend, der durch die Corona-Pandemie verstärkt wurde. Gegenseitige Hilfsnetzwerke, die ausschließlich von Freiwilligen unterhalten werden, wachsen weltweit und werden von gemeinnützigen Organisationen unterstützt, die spezielle Tools anbieten, um die Community bei der gemeinsamen Nutzung von Ressourcen zusammenzubringen. Wie könnten Bibliotheken und Open-Science-Projekte an diesen Trends teilhaben und solche unterstützenden Communities aufbauen?

Analoge Gegenbewegung: Technikmüdigkeit fördert Achtsamkeit

Im IFLA Trend Report 2021 Update (PDF) wird eine analoge Gegenbewegung festgestellt, die durch den Stress der ständigen Verbindung mit sozialen Medien verursacht wird. In ähnlicher Weise diagnostiziert Trendhunter eine “Tech-Müdigkeit”, die ebenfalls auf das Arbeiten und Lernen von zu Hause aus zurückzuführen ist, da die COVID-19-Pandemie zu Stress und einem Mangel an Aufenthalten im Freien und körperlicher Aktivität führt. Um auf diesen Trend zu reagieren und Burn-outs zu bekämpfen, fügen Organisationen ihren digitalen Produkten spezielle Funktionen hinzu, beispielsweise integrierte Funktionen auf Meeting-Plattformen, die Reize begrenzen und den Menschen helfen, Pausen zu machen sowie achtsamer mit ihren Energien hauszuhalten. Dieser Trend könnte für Bibliotheken für ihre Bibliotheksangebote und Open-Science-Aktivitäten interessant sein, wenn sie ihre digitalen Dienste und Tools überdenken.

Mehr Informationen zu Trends und Technologien für 2022:

Über die Autorin:
Birgit Fingerle ist Diplom-Ökonomin und beschäftigt sich in der ZBW unter anderem mit Innovationsmanagement, Open Innovation, Open Science und aktuell insbesondere mit dem “Open Economics Guide”. Birgit Fingerle ist auch auf LinkedIn zu finden.
Porträt, Fotograf: Northerncards©

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Birgit Fingerle ist Diplom-Ökonomin und beschäftigt sich in der ZBW unter anderem mit Innovationsmanagement, Open Innovation, Open Science und aktuell insbesondere mit dem "Open Economics Guide". (Porträt: Copyright

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